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NAB oder IEC -Entzerrung, was ist 'besser' ?

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    NAB oder IEC -Entzerrung, was ist 'besser' ?

    Hallo zusammen,

    ich habe eine PR99 und eine B77 jeweils mit 19/38 cm/s, jedoch mit unterschiedlicher Entzerrung - einmal mit NAB- und einmal IEC-Entzerrung. Die Anpassung in die eine oder andere Richtung ist nicht so schwierig, aber welche ist 'besser'?
    Wo liegen die Vorzüge/Nachteile? Kann man die Unterschiede überhaupt hören? Vielleicht nur bei bei bestimmten Musikstücken (besonders leise, oder besonders dyanmische, oder ...)?
    Wer hat Erfahrung?

    Danke und Grüsse
    Rolf

    #2
    Lieber Rolf,

    deine Frage zielt ein wenig in die falsche Richtung. Bei der Frage nach DIN 45513/CCIR/IEC und NAB sind zunächst einmal historische und weniger qualitative Bezüge von Bedeutung.

    Die Qualitätsforderung der Rundfunkanstalten ließ sich in den späten 40ern und den 50ern beim gegebenen Magnetband (und den sonstigen Umständen) nur mit der Entzerrung 17,5 und 35 µs (später kam dann noch 70 µs für 19,05 cm/s hinzu) gewährleisten. Die magneto-elektrischen Eigenschaften der Bänder wiederum waren durch die teilweise schon sehr großen Archive bestimmt, weil dem praktischen Sendebetrieb ein ständiges Umeichen der Wiedergabeanlagen nicht ohne Probleme zuzumuten war. (Bänder wie SPR50 oder PER 525 sprechen da eine beredte Sprache, die z.B. durch 528 ein wenig der neuen Zeit angepasst wurde.)
    Der Amateur steuerte schon damals unqualifizierter aus, weshalb Sättigungen des Bandes einerseits toleriert wurden, andererseits aber auch seltener vorkamen...
    Nachdem die Amateure auch wenig auf Einmessungen und Normen bedacht waren/sind/sein müssen, die Geräte aber sehr viel gedrängter aufgebaut sind/waren, einigte man sich anbieterseitig schon sehr bald auf eine stärkere Höhenanhebung und eine Tiefenanhebung bei der Aufnahme, die bei der Wiedergabe invertiert auch den 'systemimmanenten' Gerätebrumm absenkte.
    Gleichzeitig wurden aber auch die Bänder besser, was die amerikanischen Rundfunksender mit damals durchwegs kleineren Archiven als die hiesigen veranlasste, sich diese Norm zu eigen zu machen, weil sie das Bandmaterial besser ausnützte. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass seit den 50er Jahren in Europa mit 320 pWb/mm Spurbreite um 3,6 dB höher ausgesteuert wird als in den NAB-abhängigen Ländern, die (demnach) mit 210 pWb/mm Spurbreite aussteuern. (Jedoch: Man fährt halt hinauf, bis man es hört...)

    Übrigens experimentierte die Reichsrundfunkgesellschaft bis 1944 (da wurde es dann doch eng) vielfältig mit der Entzerrung. So manches Band Furtwänglers und wohl auch zwei der legendären fünf Stereos (Beethoven mit Gieseking und Bruckner mit Karajan) der RRG kursieren heute entzerrungsmäßig in sicher fehlerhafter Überspielung, dies wohl auch irreversibel, da die Originale seit Anfang der 60er Jahre im SFB veschollen sind. Mir ist in Deutschland nur ein neuzeitliches Bandgerät bekannt, das RRG-Bänder einwandfrei wiedergeben könnte.

    Die Geräuschspannungswerte sind bei NAB daher optisch geringfügig besser als IEC, lediglich die Höhenaussteuerbarkeit fällt -ebenso optisch- etwas geringer aus. Für die studiomäßige Anwendung -in Europa sind im professionellen Betrieb 35 bzw 70 µs eingeführt- erweisen/erwiesen sich die weltweit und daher auch bei der A700 eingesetzte NAB-Entzerrung (3180+50µs) als ebenso hinderlich wie die 2 mm breiten Spuren der Amateurriege.

    Ein Bandtausch ist möglich, führt aber bei einem NAB-Band auf einer IEC-Maschine zu einer Höhen- und Tiefenanhebung, umgekehrt bei einem IEC-Band auf einer NAB-Maschine zu einer Höhen- und Tiefenabsenkung. Dies betrifft den Bereich unterhalb 125 Hz und oberhalb 2 kHz. 125 Hz werden um 0,9 dB, 31,5 Hz um 5,7 dB fehlerhaft wiedergegeben, 2 kHz um 0,6 dB, 18 kHz um 2,8 dB.

    Die Abweichungen dürften damit eigentlich im Streubereich nicht regelmäßig gewarteter Bandgeräte liegen; kommt allerdings beides zusammen, erreichen wir nicht mehr tolerable Werte.
    'Klanglich' hat NAB den Vorteil besserer Bandausnützung, IEC denjenigen geringerer Sättigungsgefahren; doch das ist schon die höhere Mathematik des Tonmeisters. Bei normaler Modulation (gib mal im Wohnraum unter 100 Hz oder über 10 kHz wieder; viel Erfolg dabei) und tadellos eingemessenen Bandgeräten wird man nicht einmal Unterschiede hören. Und wenn doch habe sie zumeist andere Ursachen...

    Bei Interesse verschicke ich gerne eine Tabelle mit den Differenzwerten zwischen NAB (3180/50 µs) und IEC (35 µs).

    War 'n bisschen länger; aber vielleicht ist es dennoch interessant..

    Hans-Joachim

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      #3
      Hallo Hans-Joachim,

      vielen Dank für Deine umfangreichen Ausführungen - es ist immer wieder Klasse, wenn man man abends nach Hause kommt, und man bekommt etwas aus einem '(ReVox)-Nähkästchen' anderer ab - immer ist etwas dabei was man (jedenfalls ich) noch nicht wusste .. viele Dank!
      Technisch ist mir der Unterschied schon klar, und auch, dass es im Grunde darauf ankommt, richtig eingemessen zu haben - ungeachtet der gewählten Norm.
      Deswegen habe ich das 'besser' auch in Anführungszeichen gesetzt.
      Klar ist, dass das Bandmaterial ja jeweils anders 'behandelt' wird - mal ein bißchen mehr in Richtung Sättigung, mal etwas weniger - so wie Du es schon ausgeführt hast. Aber was bedeutet das im Endeffekt für den Hörgenuss? Es gibt ja viele Attribute wie 'luftiger', 'brillanter', 'voller', 'wärmer' .. und wie sie alle heissen. Alles natürlich subjektiv, aber das sind ja gerade die Nuanzen, die den Charakter eines Gerätes ausmachen.
      Gibt es KOmbinationen aus Bandmaterial, Entzerrungsart und Musikrichtung, die sich sozusagen aufdrängen, oder ist das doch alles eher maginal und geht schon in Richtung 'Glauben'?
      Übrigens, so meine ich, hätte ich gelesen, dass die IEC-Entzerrung (etwas) 'weniger rauschen' soll als die NAB-Entzerrung - ich weiss allerdings nicht mehr wie das bewertet wurde.

      Grüsse
      Rolf

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        #4
        Lieber Rolf,

        herzlichen Dank für deine Replik. Hinsichtlich des Hörgenusses sollte die Entzerrung bei neuzeitlichem Bandmaterial eigentlich nichts bedeuten; das Ergebnis muss identisch sein.
        Vielleicht lebe ich schon zu lange ein zu engagiertes Leben als Tonmeister (bin eigentlich Musiker und Musikwissenschaftler), um nicht zu wissen, wo uns TM'n gemeinhin das Wasser anbrennt. Ich trennte nie zwischen technischer und musikalischer Aufgabe, bin in beiden Bereichen -auch ihren Untiefen- zuhause. Infolgedessen, weiß ich sehr genau, was ich wie von welcher Seite zu erwarten habe. Illusionen gibt es da nicht mehr, wohl aber Freude an genialen technischen Entwicklungen, Ideen, an der Ästhetik eines Produktes, Freude an der hinter ihm stehenden Denkart.
        Das beschäftigt mich seit einiger Zeit wieder verstärkt, weshalb ich mich auch der Geschichte unseres Berufes zuwende, nach zwanzig digitalen Jahren auch mal wieder meine nach wie vor betriebstüchtig gepflegten analogen Geräte anschaue, den von den Marketingetagen fortlaufend aufgetischten Superlativen kritisch (=urteilsfähig) gegenüberstehe.

        Bei einem ja angedachten Fan-Treffen böte sich hier vielleicht ein Beitrag meiner Wenigkeit zur Historie der Tonaufnahme an, in der Willi Studer -wenn auch relativ späte, so doch eminent wichtige- Beiträge geleistet hat. Worauf er gründete, ist dem Fan von heute aber zumeist nicht vertraut.

        Dein letzter Satz, die Entzerrung nach IEC rausche weniger, stimmt übrigens schlicht nicht, sofern die verglichenen Geräte wirklich vergleichbar waren.
        Allein der Vergleich der Daten (Vorsicht, immer die Normen angegebener Messwerte beachten!) einschlägiger Revox-Geräte zeigt, dass NAB im Vergleich zu IEC etwas bessere Geräuschspannungsabstände gewährleisten muss.

        Nachdem ein Band für hochwertige Aufnahmen aber teilweise deutlich unter den Sättigungsgrenzen betrieben wird, gleichgültig ob nach IEC oder NAB, wirkt sich das Band selbst in beiden Fällen de facto identisch aus (Auflösung max. 1000 Pegelstufen, Hörbarkeit der Granularität des Materiales, Klirrfaktor, Frequenzgang- und Laufzeitfehler soweit diese überhaupt hörbar sind etc. pp.)

        Der Magnetische Sättigungsfluss eines BASF 911 liegt bei 2320 pWb/mm; wir steuern in der Regel 514 pWb/mm (+3dB=725 pWb/mm, max +5 dB=915 pWb) aus, was rund 8 dB unter jener Sättigung liegt. Im üblichen Arbeitspunkt beträgt bei 902 pWb/mm und 1 kHz der Klirrfaktor dieses Bandes gerade einmal 1 %.
        (Walter Weber war im Frühjahr 1940 völlig aus dem Häuschen, als er erstmals von einem Speicher Klirrfaktoren unter 10 % zu hören bekam.)

        Sofern die Elektroniken (die Nichtlinearitäten des analogen Speicherprozesses sind Legion; es grenzt an ein 'Wunder', dass das so gut funktioniert!) nicht allzu nichtsnutzig angelegt sind, tragen diese auch in beiden Fällen (IEC vs. NAB) nicht unterschiedlich zur Klangveränderung bei.

        Vergleiche bedürfen indes sorgfältigster Pegelabgleichungen. Wenn zwei Geräte Ausgangsspannungen liefern, die nur um 0,5 dB voreinander abweichen, hört ein sensibles Gehör dies als klangsprektrale Abweichung. Dass eine Umschaltung knackfrei erfolgen muss, versteht sich wohl auch von selbst. Andernfalls ist unser Ohr nicht einmal zum A/B-Vergleich tauglich, sondern erliegt einer Fülle von Täuschungen, die dann an Sachverhalten festgemacht werden, die nichts mit den wirklichen Ursachen zu tun haben.

        Ich weiß, wovon ich da spreche, denn ich habe an so manchem Hörtest teilgenommen.

        Na, das wurde auch wieder lang...

        Gute Nacht einstweilen.

        Hans-Joachim

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